Blutmond
Luna, o! Sonst silbern Strahlende!
Wie ist dein Antlitz heut' so wundersam versteckt,
Von rotem Samt in Anmut zugedeckt?
Wie soll ich's deuten?
Tanzt du doch sonst in tiefen Harmonien verwoben Im perlenfarb'nen Kleid am Himmel droben,
Das deine Mutter, deine Schwester dir geschenkt,
Die man Sonne nennt, Die Strahlende, die schwelend brennt
Und sich mit dir des Nachts,
Wenn schlafend sie zum Tor des Morgens fährt Als Spiegel rühmt;
Doch ohne bösen Willen! Liebt sie dich doch Und will mit ihrer Gabe bloß der Welt
In reinem Licht, ganz unverblümt Die Schönheit offenbaren, die dein Antlitz hält.
Doch heute Nacht, so sehr du sie auch ehrst,
Wirst du erlangen, was du sonst entbehrst.
So legst du ab die sonnenschweren Kleider,
Offenbarst, was sonst verdeckt,
Die wahre, nackte Seele, sonst versteckt,
Ohne die du nicht die wahre Luna wärst.
Und so, in wundersamem Staunen sehen wir
Die deine dunkle Schönheit samtenrot,
Ein Auge, dessen Tiefe kaum zu tragen
Und können uns im Stillen selbst nur sagen:
Auch kann sich Schönheit oft im Schwinden offenbaren,
So wie ein wahres Leben erst im Tod.
